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Jugend unter dem Hakenkreuz

Jugend unter dem Hakenkreuz

Wie war das eigentlich: Jungsein in der Nazizeit? Bis in die 70er Jahre hinein wurde diese Frage oft in Wohnzimmern und bei Familientreffen erörtert. Schließlich konnten sich Eltern, Verwandte, Nachbarn, und Bekannte besser daran erinnern als ihnen lieb war. Meist wurden von den gleichen Leuten die gleichen Begebenheiten mit den gleichen Worten erzählt. Trotzdem wurde gebannt zugehört. Solche Rituale der Erinnerung mögen für alle etwas Heilsames gehabt haben. Doch die Geschichte ging weiter.

Nachdem die Fernsehserie "Holocaust" dem Grauen einen Namen gegeben hatte, wurde es kompliziert. Der anekdotische Ansatz der Aufarbeitung war fortan nicht mehr glaubwürdig. Wissenschaft und Medien mussten sich der Sache annehmen und nach der Weizsäcker-Rede vom 8. Mai 1985 fanden sich auch die politischen Entscheidungsträger zurecht. Das Kriegsende, so die These des damaligen Bundespräsidenten, war für die Deutschen keine Niederlage, sondern die Befreiung vom Nationalsozialismus. Dies war eine neue Perspektive, denn den Nationalsozialisten waren fast alle gefolgt – wenn sie nicht selber welche waren. Vergangenheitsbewältigung wurde damit zur Illusion.

In den letzten Jahren sind Gedenk- und Erinnerungsorte entstanden, die das Alltagsverhalten im Land der Täter in den Blick nehmen: Wie kam es, dass Duckmäuserei, Mitläufertum und Systemtreue die ganze Gesellschaft durchwirkten? Gab es überhaupt Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren? Wenn ja, was hat man damit aufs Spiel gesetzt? Und: Hätten wir selber uns seinerzeit tatsächlich anders verhalten?

Das Projekt "Jugend unter dem Hakenkreuz" hat Berliner Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, diesen Fragen gemeinsam mit Zeitzeugen nachzugehen. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass es rund vier Millionen Bürgerinnen und Bürger gibt, die über achtzig Jahre sind. Die Geschichtswissenschaft nennt sie die Erlebnisgeneration. Das Hauptanliegen dieses Vorhabens ist es, diese Erlebnisse zu erörtern, und zwar in der Begegnung der Heranwachsenden von damals und heute.

Acht der vier Millionen haben wir im Sommer und Herbst 2012 getroffen. In ihren Erzählungen verheimlichen sie nicht, dass sie einst von der nationalsozialistischen Erziehung begeistert waren und an Führer und Vaterland geglaubt haben. Und sie schildern, wie sie mit der beschämenden Erkenntnis umgehen, Teil eines verbrecherischen Systems gewesen zu sein.

Die Zeitzeugengespräche wurden in Bild und Ton aufgezeichnet und nach Themen geordnet. Als DVD und im Internet werden sie nun Schulen, Jugendeinrichtungen und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zur Einführung stellt ein Trailer die Mitwirkenden vor und informiert das Publikum über die behandelten Themen.

Verantwortlich für die Projektdurchführung ist der in Berlin-Schöneberg ansässige Verein Memos e. V. Für die erhaltene Unterstützung bedanken uns bei der Berliner Zeitzeugenbörse e. V., bei der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz sowie bei den Stiftungen Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Topographie des Terrors. Unser besonderer Dank gilt der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin, ohne deren Unterstützung unser Generationen verbindendes Projekt nicht zustande gekommen wäre.

Gerd Scheuerpflug, 26. Juli 2014

 

Projektleitung: Gerd Scheuerpflug

Künstlerische Gestaltung: Johannes Knauer

Projektseite: jungsein-33-45.de

Memos e. V., c/o Kanzlei Bantzer, Keithstraße 2 – 4, 10787 Berlin